Hier finden Sie immer wieder literarische Texte, die im Laufe der letzten Jahren entstanden sind und noich nicht in einem Buch übernommen bzw. veröffentlicht sind.

Der Verlust der Heimat kommt einer Amputation gleich 

Der Verlust der Heimat kommt einer Amputation gleich. Man trennt sich von geliebten Personen, von vertrauten Räumen, man trennt sich auch von sich selbst größtenteils. Als ich nach Deutschland kam, obwohl meine Familie schon hier inzwischen lebte, kam mir das Land unendlich trostlos und in jeder Beziehung kalt vor! Dieser Verlust war für mich dramatisch und ich kompensierte ihn mit allerlei Sehnsüchten! Rückkehr war/ist das Wort meines Lebens. Rückkehr? Wohin jedoch... Nach dem Sturz der Diktatur im Jahre 1974 änderte / ändert sich Griechenland täglich und grundsätzlich. Wir konnten langfristig diese Veränderung, für die wir ja auch engagiert uns einsetzten, nicht mehr verfolgen. Meine griechische Heimat als der vertraute Ort meiner Kindheit rückte in die Ferne, Deutschland hingegen hat diese Lücke nicht ersetzen können, Deutschland war der Inbegriff der Fremde! Deutschland meine Stiefmutter Heimat, sagte ich immer schön provokativ... Und so vergingen die Zeiten, die Jahre. Sollte dieser Zustand andauern, wäre es gänzlich ungesund für meine Psyche und ungerecht für das Land, das mir seine Universitäten öffnete und mit goldenen Bergrücken im Herbst lockte, ungerecht für meine Freunde, für meine Liebe! Und dies wäre auch für meine Kinder ein Desaster! Ich glaube, jeder Mensch kann in der Geborgenheit seiner unmittelbaren Umgebung gedeihen und Freiheit erleben. Und Deutschland, vielmehr München, war / ist diese Umgebung, ist meine Heimat geworden. Etwas, ich selbst bin hier nachgewachsen. Das ist der Gewinn, so komisch es sich anhört, ich habe hier buchstäblich eine zweite Kindheit und Pubertät nachgelebt. Mich hier heimisch zu fühlen, ja das war nicht leicht! Und dies nicht nur weil man immer den Fremden gegenüber eher reserviert ist, sondern auch weil das, was wir, also Fremde, mitbringen, nicht unbedingt und vom ersten Tag an kompatibel mit dem ist, was wir hier vorfanden, vorfinden! Heimat ist eng mit meiner Biographie verbunden, Heimat wurde mein literarisches Thema schlechthin. Literatur wird oft als Heimat oder eine Art von Heimat bezeichnet. Im Versuch Heimat auch emotional zu begreifen und zu definieren musste ich immer wieder Tabus verletzen. Die Suche nach der Heimat ist immer schmerzlich, vielleicht sogar schmerzlicher als der Verlust. Nicht selten musste ich unterwegs Heimat verwerfen und als Unglück bezeichnen, eben weil sie als Ideal nicht erreichbar ist! Ein Ideal, das man verfolgt und nicht erreicht, zwingt zur Niederlage. Jedoch niemand steht a priori als Verlierer fest. Auch heute kann ich nicht genau sagen und definieren, was meine Heimat ist. Ich weiß, ich lebe inzwischen hier sehr gern, meine Umgebung und Umwelt erkennt mir Rollen zu und nimmt mich in die Verantwortung. Bietet sich als Heimat an. Ich fühle mich wohl. Und doch dann irgendwie komme ich nicht zu Recht. Ein einfaches Lied meiner Kindheit reicht aus, um eine andere Heimat, die verlorene Heimat?, auf den Plan zu rufen. Und sie ist dann folgerichtig gnadenlos! Vorwürfe. Verrat! Die alte Heimat kann die neue nicht ver- und er-tragen! Heimat ist dann Vaterland und totalitär! Für mein Leben spielt die deutsche Differenzierung zwischen Heimat und Vaterland eine wichtige Rolle, ein Rettungsanker!

 

Die Beschäftigung mit der Heimat hat aus mir einen glücklichen Oportunisten gemacht! Griechenland, Deutschland, HeimatE! Doch totalitär! Mein Dorf, meine Stadt, ja Agnesstrasse in München, das ist schon Heimat, wenn es eine gibt! Ein Ort der Gefühle, der Projektionen und Träume, Kein-Ort. Ich bin mittendrin. Ich erlebe es, kann es aber nicht fassen. Heimat... Liebe.

 
Costas Gianacacos
Sommer 2007